KAPITEL 1: DIE DREI GROSSEN SPIELEKATEGORIEN
Kapitel 1
Die drei großen Spielekategorien
Das Thema Spiel ist mir sehr wichtig. In diesem Kurs möchte ich Ihnen detaillierte und spezifische Informationen zur Verfügung stellen, die Ihnen zu einer exzellenten Spielmechanik, relevantem Hintergrundwissen und emotionalem Fingerspitzengefühl verhelfen und damit den Grundstein für gutes, richtiges Spiel und eine großartige Bindung legen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, mit Spielzeug und Futter bzw. personenbezogen (d.h. ohne Futter, Spielzeug und andere greifbare Hilfsmittel) zu spielen. Gutes Spiel definiert sich nicht darüber, für welche Technik Sie sich entscheiden. Jede der drei Spielekategorien kann nützlich und hilfreich sein. Gutes Spiel definiert sich vielmehr darüber, wie viel gemeinsame Freude und Spaß Sie und Ihr Hund daraus schöpfen. Schafft eine Technik Energie, Arbeitseifer und Enthusiasmus? Baut sie den Stress Ihres Hundes ab? Dann eignet sie sich für Ihr Team.
Das gemeinsame Spiel gibt Ihnen eine neue Möglichkeit, Ihren Vierbeiner kennen und schätzen zu lernen. Mithilfe der in diesem Kurs vorgestellten Techniken können Sie dieselben Dinge mit Ihrem Hund teilen, die wir Menschen auch gerne mit unseren zweibeinigen Freunden teilen: Spiele spielen, miteinander essen, und auf einer persönlichen Ebene interagieren. Entdecken Sie eine neue Ebene in der Beziehung zu Ihrem Hund!
Ist es unbedingt nötig, mit Ihrem Hund zu spielen, um ein erfolgreicher Trainer zu sein? Nein - aber Sie schränken Ihre Möglichkeiten ein, wenn Sie die vielen Spielvarianten, die Ihnen zur Verfügung stehen, nicht nutzen. Das gemeinsame Spiel kann Ihr Training auf eine Art verbessern, die Sie nicht für möglich gehalten hätten: Je mehr Geschick Sie im Spiel erwerben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die von Ihnen entworfenen Trainingspläne Mensch und Hund Spaß machen und dadurch besonders effektiv sind.
Dieser Kurs deckt die drei großen Spielekategorien ab. Dieses erste Kapitel gibt einen Überblick über die einzelnen Kategorien. Jede davon hat bestimmte Vorteile für Arbeit und Bindung. Es zahlt sich aus, sich mit allen dreien zu beschäftigen!
SPIELEN MIT SPIELZEUG
Kaum ein Thema ruft mehr Meinungsverschiedenheiten, Verwirrung und Nervosität hervor als die Frage, ob es eine gute oder schlechte Idee sei, Zerrspiele mit unseren Sporthunden zu spielen. Es kann gar nicht genug betont werden, wie sehr ein gutes Zerrspiel die Ausdrucksstärke und Konzentration Ihres Hundes in der gemeinsamen Arbeit steigern kann. Hunde, die gern Zerrspiele spielen, bringen jede Menge Energie, Enthusiasmus und Begeisterung für das gemeinsame Tun mit. Diese Emotionen lassen sich wiederum einsetzen, um der Leistung des Hundes den Feinschliff zu verleihen. Besonders deutlich ist dieser Effekt in Hunden erkennbar, die den Hundeführer regelrecht anflehen, mit ihnen zu spielen, und kein “Nein” als Antwort akzeptieren. Häufig ist es in diesem Fall der Hund, der dem Hundeführer das Spiel beibringt, und nicht umgekehrt! Solche Hunde verzeihen dem Menschen Fehler im Spiel, weil das Spiel an sich ihnen unheimlich wichtig ist. Besonders Hunde aus Arbeitslinien oder Rassen, in deren Zucht auf sportliche Leistung hin selektiert wird (IPO, Hüten, Jagd) zeigen in Zerrspielen oft große Durchsetzungsfähigkeit und Ausdauer. Es ist kein Zufall, dass in den höchsten Prüfungsklassen in IPO, Agility und Unterordnung großteils Hunde aus entsprechenden Rassen und Linien starten.
Andererseits gibt es Hunde, die von Haus aus wenig Interesse an Spielzeug oder generell wenig Energie mitbringen. Trainer und Hundeführer, die wenig Erfahrung mit solchen weniger triebstarken Hunden haben, begegnen Mensch-Hund-Teams, die nicht gelernt haben, miteinander zu spielen, häufig mit Vorurteilen. Das kann zu großem Druck führen: Der Hund MUSS spielen, und sein Hundeführer hat ihn gefälligst dazu zu bringen. Diese Trainer gehen davon aus, dass es die Schuld des Besitzers sei, wenn sein Hund nicht spielen will: Der Hundeführer habe sich einfach nicht genug bemüht! Außerdem wird oft angedeutet, dass der Hund nicht im Sport erfolgreich sein könne, wenn er nicht spielen wolle. Der Druck, ihn zum Spielen zu bringen, lastet auf dem Besitzer und ist auch der Bindung nicht förderlich.
Zwingt man einen Hund dazu, etwas zu tun, was er eigentlich gar nicht will, ist das Resultat meist das Gegenteil dessen, was man erreichen wollte. Im besten Fall lernt der Hund Ihren Lehrmethoden zum Trotz, das Spiel zu lieben. Im schlimmsten Fall rufen der Anblick des Hundeführers oder des Spielzeugs bald Angst, Nervosität oder Meideverhalten hervor. Es gibt keinen Grund, mit einem solchen Leistungsdruck an Aktivitäten, die Sie mit Ihrem Hund teilen wollen, heranzugehen. Einem Hundeführer, der selbst unter Stress und Druck steht, gelingt es nur selten, Selbstvertrauen und Begeisterung für das Spiel in seinem Hund zu wecken.
Die Kunst eines guten Zerrspiels liegt einerseits in der Mechanik - und diese ist lernbar. Hundeführer, denen die Spielmechanik fehlt, um das Zerrspiel für ihren Hund zu einer Belohnung zu machen, haben Schwierigkeiten damit, seine Freude an der gemeinsamen Interaktion mit einem Spielzeug zu wecken - ganz gleich, wie gern der Hund eigentlich spielen würde. Andererseits liegt die Kunst eines guten Zerrspiels auch im emotionalen und interaktiven Fingerspitzengefühl des Hundeführers: Wenn Sie sich nicht ganz bewusst auf das Spiel mit dem Spielzeug einlassen, geht das bindungsstärkende Element des gemeinsamen Tuns verloren. Im Idealfall lernt Ihr Hund, das gemeinsame Zerrspiel zu lieben und beginnt außerdem, Sie mit diesem herrlichen Spiel zu assoziieren. Dadurch werden Ihr Lächeln, Ihre Bewegungen und Ihre Interaktion mit dem Hund mit positiven Assoziationen besetzt. Der Nebeneffekt, SIE mittels klassischer Konditionierung mit dem Spaß und der Freude am Spiel zu verbinden, ist enorm - besonders, wenn Sie Prüfungen und Turniere laufen wollen, auf denen Ihr Hund lange Zeit arbeiten muss, ohne dass Sie Zugang zu externen Belohnungen haben.
Die meisten Hunde, die wir in den beliebten Hundesportarten (Agility, Unterordnung, Turnierhundesport) sehen, fallen in die Mitte dieses Spektrums: Oft sagt der Hundeführer, dass sein Hund nicht spielen könne oder wolle - dieser spielt allerdings sehr wohl, wenn ein Trainer mit guter Spielmechanik den Hund auf positive und interaktive Art und Weise an das Spiel heranführt. Diese Hunde haben die genetische Veranlagung dafür, freudig zu spielen, doch brauchen sie ein wenig Hilfe, um zu erkennen, wie viel Spaß ein interaktives Spiel mit Spielzeug machen kann. Oft kann ein Trainer, der die Finesse des Spielens erlernt hat oder ein natürliches Talent dafür mitbringt, die Verspieltheit eines solchen Hundes zum Vorschein bringen. Ist diese erst einmal geweckt, kann das Spielzeug im Training eingesetzt werden und wertet die gemeinsame Arbeits- und Trainingszeit gewaltig auf.
Vielleicht erreichen die eben beschriebenen Hunde, deren Spieltrieb in die Mitte des Spektrums fällt, niemals die Ausdrucksstärke und enorme Begeisterung, welche den weiter oben beschriebenen natürlichen Spielern unter unseren Hunden eigen ist. Dennoch lernen viele von ihnen, ihr Spielzeug mehr zu lieben als eine Futterbelohnung. Diese Tatsache allein ist ein guter Grund, sich mit dem Spielen mit Spielzeug auseinanderzusetzen. Und selbst wenn ein Hund nicht an den Punkt gelangt, an dem er sein Spielzeug einer Futterbelohnung vorzieht, ist das Spiel dennoch eine wertvolle Ergänzung zum Einsatz von Futter im Training. Es zahlt sich auf jeden Fall aus, zu lernen, mit dem eigenen Hund zu spielen!
PERSONENBEZOGENES SPIEL
Was ist personenbezogenes Spiel?
Als personenbezogenes Spiel bezeichnen wir das Spielen zwischen Ihnen und Ihrem Hund - ganz ohne greifbare Hilfsmittel wie Futter oder Spielzeug. Die Interaktion läuft direkt und unmittelbar zwischen den beiden Partnern ab. Personenbezogenes Spiel ist schwierig zu lernen, weil jeder Hund ein einzigartiges Individuum ist. Um herauszufinden, wie Sie Ihren Vierbeiner am besten zum personenbezogenen Spiel motivieren können, müssen Sie ihn gut beobachten und genau darauf achten, wie er auf Sie und Ihre Bewegungsmuster reagiert. Es gibt kein Rezept und keine Abkürzung zum guten personenbezogenen Spiel - je nach Hund kann dieses ganz unterschiedlich aussehen.
Welpen lassen sich in der Regel leicht und gern auf personenbezogenes Spiel ein. Daher ist es für einen zweibeinigen Anfänger im personenbezogenen Spiel am leichtesten, erst mit einem Welpen zu üben, bevor er das Interesse seines erwachsenen Hundes zu wecken versuchen. Wie wir Menschen können auch Hunde im Zuge des Erwachsenwerdens ihre Verspieltheit verlieren, wenn sie nicht regelmäßig Gelegenheit zum Spielen bekommen. Das heißt nicht, dass Sie das Interesse für das gemeinsame Spiel in Ihrem erwachsenen Hund nicht wieder wecken könnten - doch wahrscheinlich müssen Sie sich mehr anstrengen und wohlüberlegt vorgehen, um die verspielte Seite Ihres erwachsenen Hundes zum Vorschein zu bringen.
Gründe für personenbezogenes Spiel
Einerseits ist personenbezogenes Spiel ein gutes Bindungsbarometer: Viele Hunde lassen sich nur dann mit einem Menschen auf ein personenbezogenes Spiel ein, wenn eine Bindung zwischen den beiden besteht. Darüberhinaus hat das personenbezogene Spiel zahlreiche Vorteile für Hund und Hundeführer, besonders auch in Hinsicht auf Prüfungen und andere Situationen, in denen keine greifbaren klassischen Belohnungen zur Verfügung stehen.
Mit personenbezogenem Spiel lässt sich jede Menge gemeinsame Energie für das Mensch-Hund-Team aufbauen: Anstatt dass der Hund alleine Luftsprünge macht und um seinen Menschen hüpft, laufen, springen und spielen die beiden gemeinsam! Diese Energie ist stark auf den Trainer konzentriert und lässt sich ausgezeichnet auf die Arbeit übertragen. Es versetzt den Hund in eine körperliche, mentale und emotionale Stimmung, die sich für das gemeinsame Training eignet wie kaum eine andere.
Personenbezogenes Spiel eignet sich auch hervorragend zum Stressabbau: Wenn ein Team sich aufeinander einlässt und der Mensch seinen Hund anlächelt und anlacht, ist es schwierig, nervös zu sein! Wenn ein Team, das normalerweise gut miteinander spielen kann, in einer bestimmten Situation am personenbezogenen Spiel scheitert, ist das ein Hinweis auf negativen Stress: Vielleicht lässt sich etwas an der Situation ändern, sodass sich Hund (oder Hundeführer!) in dieser stressreichen Umgebung wohler fühlen!
Personenbezogenes Spiel animiert den Hund ganz nebenbei, sich auf seinen Menschen zu konzentrieren: Wenn Ihr Hund nicht weiß, was Sie als nächstes tun (wie Ihr nächster Spielzug aussieht), ist er aufmerksam - Ihr Verhalten ist interessant!
Besonders gern wende ich personenbezogenes Spiel an, wenn ich den Einsatz von klassischen Futterbelohnungen und Belohnungsgegenständen im Training reduzieren möchte. Vor allem, wenn Sie im Hundesport aktiv sind und Ihr Hund auf Prüfungen und Turnieren lange Zeit ohne Futter und Spielzeug arbeiten muss, ist das personenbezogene Spiel wertvoll. Mehr dazu erfahren Sie in den Kapiteln 4 und 15.
Die einzige Regel im personenbezogenen Spiel ist, dass es Mensch und Hund Spaß machen muss. Alles ist erlaubt! Seien Sie kreativ: Was können Sie sich für Ihren Hund ausdenken? Was könnte ihm gefallen? Manche Hunde lieben Pfotenspiele: Sie greifen nach seinen Pfoten und tun so, als wollten Sie diese mit schnellen Handbewegungen fangen (oder halten die Pfoten sanft fest). Andere Hunde mögen es, wenn sie leicht angeschubst und nach hinten geschoben werden. Wieder andere lassen sich nicht gern berühren, haben aber Spaß daran, ganz dicht an Ihren Körper heranzukommen oder an Ihnen hochzuspringen.
Personenbezogenes Spiel lässt sich an Persönlichkeit, Temperament und Vorlieben jedes individuellen Hundes anpassen. Das führt dazu, dass man Monate oder sogar Jahre damit verbringen kann, zu lernen, wie man noch mehr Freude und Arbeitseifer aus dem eigenen Hund herausholen kann!
Personenbezogenes Spiel ist je nach Mensch-Hund-Team ganz individuell und unterschiedlich. Um diese Art der Interaktion zu meistern, muss der Hundeführer seinen Hund ganz genau beobachten und herausfinden, welche Dinge sich für diesen eignen könnten. Legt ein Hund den Kopf schief und “lächelt”, wenn er ein bestimmtes Geräusch hört, sollte der Besitzer ausprobieren, ob sich dieses Geräusch im personenbezogenen Spiel mit seinem Vierbeiner einsetzen lässt! Trainer, die das personenbezogene Spiel zu schätzen wissen, verbringen viel Zeit damit, das Verhalten Ihrer Hunde zu beobachten: Wie interagieren diese mit Kindern? Mit Fremden? Mit Artgenossen? Die Zeit, die Sie damit verbringen, Ihren Hund zu studieren und lesen zu lernen, trägt zum Aufbau einer starken Bindung bei und hilft Ihnen, Mittel und Wege zu finden, mit deren Hilfe sich der Spieltrieb Ihres Hundes wecken lässt.
Streicheleinheiten, Lob und persönliche Wertschätzung
Im Allgemeinen ist Spiel antriebssteigernd und aufregend, Lob hingegen beruhigend. Beide tragen zum Aufbau der Bindung bei - doch sind sie aus unterschiedlichen Gründen wichtig.
Wenn Sie Ihren Hund loben und ihm zeigen, dass Sie mit ihm zufrieden sind, spürt er, dass Sie für ihn da sind, auf ihn aufpassen und gerne Zeit mit ihm verbringen. Lob in Form von Streicheleinheiten, den Bauch kraulen, Massagen und Umarmungen eignen sich wunderbar dafür, eine Bindung - genauer gesagt eine persönliche Beziehung - zu Ihrem Vierbeiner aufzubauen. Zudem ist die Fähigkeit, einen Hund zu loben und ihn wissen zu lassen, dass Sie mit ihm zufrieden sind, häufig die Voraussetzung dafür, dass er sich ausreichend entspannen kann, um sich auf ein Spiel einzulassen. Das gemeinsame Spiel erfordert mehr als einen arbeitsbereiten Hund - es erfordert Vertrauen. Wir Menschen lassen uns kaum gehen und spielen mit Fremden, zu denen wir noch keinerlei Beziehung haben - und dasselbe gilt für unsere Hunde.
Unterschätzen Sie niemals den Wert von Lob und persönlicher Wertschätzung für Ihren Hund! Vielen Mensch-Hund-Teams empfehle ich, sich als ersten Schritt in diesem Spiele- und Bindungskurs damit auseinanderzusetzen, wie sie ihren Hund loben und ihre Zufriedenheit und Wertschätzung zum Ausdruck bringen - und zwar auf einer persönlicheren Ebene, als es das Füttern von Keksen wäre!
FUTTERSPIELE
Was verstehen wir unter einem Futterspiel?
Wir wollen uns an diese Frage herantasten, indem wir die beiden Nomen, aus denen sich das Wort “Futterspiel” zusammensetzt, einzeln betrachten:
Futter
Futter ist ein primärer Verstärker für alle Organismen. Futter ist auch die von Natur aus stärkste und beliebteste Belohnung für viele (aber nicht alle) Hunde. Der Futtertrieb steht eng mit dem Überleben des Neugeborenen und des jungen Welpen in Zusammenhang: Die Welpen streiten sich aggressiv um die Futterquelle (die Mutterhündin), um zu überleben. Ein Welpe mit geringem Futtertrieb hat weniger Chancen. Das Resultat? Selbst heute, Tausende Jahre nach der Domestikation, haben die meisten Hunde zumindest ein klein wenig Futtertrieb, den wir uns für Arbeit und Sport zunutze machen können. Heute ist Futter auch die beliebteste Belohnung vieler Hundesportler und Trainer.
Spiel
Für unsere Zwecke definiere ich Spiel als aktive Interaktion (Spiel zwischen Hund und Mensch), die Spaß macht und Bewegung, Energie und Konzentration erfordert. Daraus folgt, dass “Futterspiele” die Elemente des Spiels (Bewegung, Energie, Konzentration und Spaß) mit der Tätigkeit des Essens (ein primärer Verstärker und für die meisten Hunde höchst motivierend) kombinieren. Der Einsatz von Futter im Training heißt demzufolge nicht automatisch, dass Sie Futterspiele anwenden: Ein Futterspiel erfordert die bewusste Entscheidung, spielerische Interaktionen mit dem Einsatz von Futter zu kombinieren.
Futterspiele
Indem wir Spielen und Futter kombinieren, verbinden wir die besten Eigenschaften des Spiels mit der starken Motivation, die vom Futter ausgeht.
Ein Hund, der einen Keks bekommt, kann Energie zeigen, um sich die Leckerei zu holen - oder auch nicht. Ein Hundeführer, der an seinen Hund herantritt und ihm den Keks ins Maul schiebt, spielt nicht mit seinem Hund, sondern setzt Futter im Training ein. Der Hund frisst, ohne sich anzustrengen. Bewegung, Interaktion und Spaß sind nicht Teil des Belohnungsvorgangs. Trotzdem genießt der Hund den Keks. Das ist nicht notwendigerweise schlecht. Im Training einer Präzisionsübung handelt es sich dabei vielleicht um die bestmögliche Belohnungstechnik. Es handelt sich allerdings nicht um ein Futterspiel.
Ein Hund, der quer durch den Garten flitzt, um den Hundetrainer mit den Keksen einzuholen, zeigt hingegen viele Merkmale des Spiels: Der Hund lässt sich auf den Menschen ein, bewegt sich schnell und energiegeladen und konzentriert sich auf ein Ziel. In diesem zweiten Szenario spielen Mensch und Hund ein Futterspiel: Der Hundeführer ist mehr als nur ein Keksautomat.
Warum wir Futterspiele einsetzen
Futterspiele stärken das Interesse des Hundes an Futterbelohnungen, indem sie das Futter mit Beute- und Jagdinteressen in Verbindung bringen. Wird etwa ein Stück Futter geworfen, jagt es der Hund, um es zu fressen. Das Hinterherlaufen ist ein Teil der Jagdsequenz unserer Hunde und damit für die meisten Hunde intrinsisch motivierend. Wird ein Stück Futter unter einem Couchpolster versteckt, sodass der Hund die Nase einsetzen muss, um es zu finden, können wir ebenfalls ein Element aus dem Jagdverhalten beobachten: Auch der Einsatz der Nase kann Teil einer erfolgreichen Jagd sein. Läuft ein Hund hinter dem Hundeführer her und springt dann hoch in die Luft, um sich das Futter zu schnappen, interagiert und spielt er mit dem Menschen, um an seinen Keks zu kommen.
Dem Hund ein Keks direkt ins Maul zu servieren ist mit Sicherheit auf einer grundlegenden Ebene befriedigend für ihn. Wenn Sie das Futter jedoch spielerisch einsetzen, bauen Sie zugleich Spaß in Ihre Interaktionen und Ihr Training ein. Der Einsatz des eigenen Körpers - laufen, jagen, springen - macht Hunden Spaß - und uns Menschen auch!
Futterspiele steigern den Wert jedes einzelnen Leckerlis, indem sie Energie und Interaktion erfordern. Das Füttern braucht nicht mehr bloß Sekunden (ins Maul und runterschlucken), sondern jeder einzelne Keks kann vom Markersignal bis zum Schlucken zwanzig oder dreißig Sekunden in Anspruch nehmen. Der ganze Vorgang ist Teil der Belohnung und steigert auch den Wert des Leckerlis selbst.
Futterspiele ermuntern Hund und Mensch zu intensiveren und direkteren Interaktionen. Es ist so gut wie unmöglich, sich nicht persönlich auf das Gegenüber einzulassen, wenn Futter kreativ und bewegungsintensiv eingesetzt wird. Dadurch wird auch die Bindung weit mehr gestärkt, als würde das Keks dem Hund direkt ins Maul geschoben.
Die besten Einsatzmöglichkeiten für Futterspiele
Futterspiele eignen sich ausgezeichnet dafür, den Grundstein für einen Hund zu legen, der die Arbeit und den Umgang mit seinem Hundeführer liebt und eine starke Bindung zu diesem verspürt. Die meisten Welpen bringen einen starken Futtertrieb mit. Indem Sie Futter im Spiel einsetzen, bauen Sie Interaktion und Bindung auf. Der Hund lernt, dass es nicht bloß ums Futter geht, sondern auch um das Spiel. Später nennen wir dieses Spiel “Arbeit”. Häufig sind Futterspiele die ersten Spiele, die Welpen mit ihren Menschen spielen.
Futterspiele führen der gemeinsamen Arbeit Energie zu - ganz gleich, wie jung oder alt der Hund ist. Ein Hund kann kaum hinter Ihnen herlaufen, ohne Energie zu zeigen. Diese Energie kann in weiterer Folge wieder in die Arbeit umgeleitet werden.
Je mehr Sie mit Futter spielen, desto mehr steigern Sie außerdem den Wert der Futterbelohnung selbst. Wenn sich ein Hund anstrengen muss, um sich einen Keks zu verdienen, schmeckt einerseits der Keks ganz besonders gut, und andererseits wächst die Freude an Einsatz und Energie (an den Schritten, die zum Erreichen des Kekses nötig waren).
Futterspiele sind auch eine ausgezeichnete Wahl für Hunde, die sich (noch) nicht dafür interessieren, mit Spielzeug zu spielen. Jene Spiele, an denen Ihr Hund im Zusammenhang mit Futter Gefallen findet, können später auf das Spielen mit Spielzeug umgelegt werden. Zudem ist es eine gute Idee, Futterspiele als Trainingsbelohnungen einzusetzen, während Sie Ihrem Hund beibringen, mit Spielzeug zu interagieren: Man sollte niemals versuchen, Verhalten mit “Belohnungen” zu lehren, die der Hund eigentlich gar nicht mag. Lehren Sie Ihren Hund unbedingt, gern mit Spielzeug zu spielen, bevor Sie dieses im Training einsetzen! In der Zwischenzeit trainieren Sie mit Futterspielen, wenn Ihr Hund großes Interesse an diesen zeigt.
Futterspiele stellen sicher, dass Sie sich aktiv auf Ihren Hund einlassen. Setzen Sie Futterspiele ein, um Ihre Arbeitsbeziehung zu Ihrem Hund zu entwickeln! Wie andere Spiele nutzen wir auch Futterspiele, um größeren Spaß am Training zu haben. Je mehr Freude Sie und Ihr Hund beim Üben haben, desto mehr freuen Sie sich beide auf Ihre gemeinsamen Arbeitseinheiten. Zudem sind Hund-Mensch-Teams, die Spaß am gemeinsamen Training haben, im Hundesport erfolgreicher!
Selbstkontroll- und Triebaufbauspiele
Haben Sie die letzten Absätze gelesen und gedacht, dass das Jagen von Futter das Letzte ist, was Sie Ihrem Hund beibringen wollen? Schreckt Sie die Vorstellung ab, dass er eine noch größere Liebe zu allem Fressbaren entwickeln könnte, als er ohnehin schon zeigt? Dann bietet es sich an, Futterspiele nicht zum Triebaufbau, sondern zum Aufbau von Selbstkontrolle (auch Impulskontrolle genannt) einzusetzen!
In Selbstkontrollspielen wird der Hund schnell und direkt mit Futter belohnt - aber erst, nachdem er eine Impulskontroll-Übung gemeistert hat. Wird Selbstkontrolle im Kontext eines Spiels eingeführt, lernen Hunde in der Regel schnell, dass sie auf den Hundeführer angewiesen sind: Ihnen zuzuhören und Ihre Signale zu befolgen führt zur Erfüllung ihrer Wünsche - zu den Keksen!
Selbstkontrollspiele und Triebaufbauspiele sind zwei Seiten einer Medaille. Der größte Unterschied liegt darin, wo die Kontrolle ansetzt. Wenn Sie Ihren Hund fest- oder zurückhalten, bauen Sie Trieb auf (und Impulskontrolle ab). Wenn Sie Ihren Hund auffordern, Impulskontrolle zu üben und sich selbstständig zurückzuhalten, bauen Sie Impulskontrolle auf. Die explosionsartige Freigabe zur Belohnung erhält das Interesse des Hundes am Spiel aufrecht.
Sollten Sie sich auf Triebaufbau- oder Selbstkontrollspiele konzentrieren? Ich empfehle Ihnen, ein Gleichgewicht anzustreben. Wenn möglich arbeiten Sie auf 49% Trieb zu 51% Selbstkontrolle hin: Ich wünsche mir, dass mein Hund jederzeit bereit ist, loszulegen, dass er allerdings auch in der Lage ist, auf Ihren Wunsch hin seine Selbstkontrolle zu aktivieren, bevor er losstartet. Ich bin nicht der Meinung, dass man generalisieren und ein für allemal sagen kann: “Hunde brauchen Impulskontrolle!” oder “Hunde brauchen Triebaufbau!” Ich gehe davon aus, dass wir unsere Hunde im Laufe des Älterwerdens und im Laufe ihrer wachsenden Arbeitserfahrung immer wieder neu evaluieren müssen. Wählen Sie jene Spiele, welche die Seite der Medaille stärken, von der Sie sich mehr wünschen. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Jungrüde sich zu viel herausnimmt? Dann konzentrieren Sie sich auf Selbstkontrollspiele. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Mauerblümchen etwas mehr aus sich herausgehen sollte? Dann setzten Sie in erster Linie auf Triebaufbauspiele!
Wie wir uns unsere Hunde wünschen, ist nicht zuletzt auch eine Frage persönlicher Vorlieben. Ich mag Hunde, deren Triebstärke an ihre Selbstkontrollfähigkeiten heranreicht. Daher trainiere ich gern in einem höheren Erregungszustand, auch wenn das manchmal auf Kosten der Kontrolle geht. Andere Hundeführer bevorzugen Hunde in einem ruhigeren, wohlüberlegten Zustand. Im Gegensatz zu mir legen sie im Training einen größeren Schwerpunkt auf einen klaren Kopf und einen niedrigeren Erregungszustand. Beide Idealvorstellungen sind legitime Ziele. Machen Sie sich Ihr eigenes Ziel bewusst und arbeiten dann darauf hin, Ihren Hund in die entsprechende Richtung zu lenken!
SCHRIFTLICHE AUFGABE
Haben Sie das erste Kapitel fertig gelesen? Dann denken Sie im Zusammenhang damit über Ihren eigenen Hund nach und beantworten dann die folgenden Fragen. Stellen Sie sich vor, wie sich Ihr Hund in der Regel verhält - in einer ruhigen Umgebung, in der er sich wohlfühlt; zum Beispiel zuhause oder dort, wo Sie normalerweise trainieren. Ich empfehle, Ihre Antworten und Gedanken in einem Trainingstagebuch zu notieren.
- Bewerten Sie das Interesse, welches Ihr Hund aktuell an den drei Spielekategorien (Futter, Spielzeug, personenbezogen) zeigt, auf einer Skala von 1 (kaum vorhanden) bis 10 (sehr stark). Gerne können Sie Ihre Beobachtungen auch näher ausführen - schreiben hilft, die Dinge klarer zu sehen.
- Wie viel Zeit widmen Sie den drei Spielekategorien im Umgang mit Ihrem Hund? Verwenden Sie abermals eine Skala von 1 (“So gut wie nie!”) bis 10 (“Ständig!”) und beurteilen Sie Spiele mit Spielzeug, personenbezogenes Spielen und Futterspiele jeweils separat.
- Welchen Prozentsatz Ihrer Trainingszeit belohnen Sie mit Futter? Welchen mit Spielzeug? Welchen mit personenbezogenem Spiel? (Falls Sie die Belohnungen häufig kombinieren, kann es sein, dass die Gesamtzahl nicht 100% entspricht - das ist okay.)
- Lesen Sie nochmal, was Sie niedergeschrieben haben. Erkennen Sie bestimmte Muster?
- Helfen Ihnen die gewonnenen Einsichten, sich Ziele für diesen Kurs zu setzen? Schreiben Sie diese nieder und bedenken dabei auch, wie das ideale Gleichgewicht zwischen Trieb und Kontrolle für Sie persönlich aussieht!
Beispielaufgabe (Lyra)
- Futterinteresse – 5; Spielzeuginteresse – 8; Interesse an personenbezogenem Spiel/Lob – 5. In der Öffentlichkeit zeigt Lyra so gut wie kein Interesse an Futterspielen und personenbezogenen Spielen. Im Allgemeinen wächst ihr Interesse an Futter und Spielzeug aber, je älter und erfahrener Lyra wird.
In den letzten Monaten habe ich mich auf den Einsatz von Futter im Training konzentriert. Dadurch ist Lyras Futterinteresse eindeutig angestiegen: Als ich es zum ersten Mal bewertete, entsprach es einer 3 auf der Skala - das war vor etwa einem Jahr. Mittlerweile ist es auf 5 angestiegen. Es zeichnet sich also eindeutig ein Fortschritt ab.
Lyras Spielzeuginteresse ist groß.
Ich bemühe mich, personenbezogenes Spiel und Lob häufiger einzusetzen, und wir machen langsam Fortschritte in dieser Kategorie.
- Futter – 3; Spielzeug – 10; Personenbezogenes Spiel – 6. Es ist kein Zufall, wenn Sie Parallelen zwischen diesen Zahlen und den Zahlen für die erste Frage finden: Das, worauf wir im Umgang mit unseren Hunden einen Schwerpunkt legen, wird oft zur wertvollsten Belohnung. In Lyras Fall habe ich besonders viel mit Spielzeug gespielt - und mache das bis heute! Außerdem bemühe ich mich, mir Zeit für personenbezogenes Spiel zu nehmen. Für mich sind Futterspiele die größte Herausforderung, weil ich selbst am wenigsten Spaß daran habe - aber ich bemühe mich bewusst, auch diese Kategorie nicht zu vernachlässigen.
- Training mit Futter 85%; Training mit Spielzeug 50%; Personenbezogenes Spiel 75%.In einer durchschnittlichen fünfminütigen Trainingseinheit verwende ich alle drei Arten von Belohnungen. Derzeit kombiniere ich Spielen mit Spielzeug und personenbezogenes Spiel fast immer. Der Arbeitseifer und Einsatz, den dieser Ansatz weckt, gefällt mir sehr gut. Dabei versuche ich allerdings, mich mehr auf das personenbezogene Spiel und weniger auf das Spielzeug zu konzentrieren, indem ich etwa den Hund berühre, während er das Spielzeug im Maul hält. Ich sollte auch erwähnen, dass Lyras größte und stärkste Belohnung eine Umweltbelohnung ist: im Pool schwimmen zu dürfen! Oft lasse ich sie am Ende einer Trainingseinheit in den Pool springen, nachdem sie eine besonders schwierige Übung gemeistert oder besonders lange und gut gearbeitet hat, ohne zwischendurch belohnt zu werden. Wenn wir im Haus an kleinen Details und Präzision arbeiten, setzte ich außerdem häufig Futter ein. In der Regel handelt es sich dabei nicht um Futterspiele, sondern um Futterbelohnungen, die ich ihr direkt ins Maul serviere, während sie eine korrekte Position hält.
- Aufgrund der Muster, die ich in meinem Training erkannte, begann ich vor einigen Monaten, einiges an Lyras Training zu ändern. Ich begann, sowohl dem personenenbezogenen Spiel als auch Futterspielen weit mehr Aufmerksamkeit zu schenken als bisher - und es half! Ihr Interesse an diesen beiden Spielekategorien ist noch nicht so hoch, wie ich es mir wünsche, doch ist es in beiden Bereichen bereits stark angestiegen. Zugleich hat Lyra nichts von ihrer Spielzeugbegeisterung eingebüßt: Ihr Interesse an Spielzeug ist bereits so groß, dass es sich problemlos aufrechterhalten lässt, während ich mich aufs personenbezogene Spiel konzentriere.
- Mein Ziel für die nächsten sechs Wochen: Ich will die Zeit, die ich mit Futtertraining und personenbezogenem Spiel verbringe, weiter steigern. Außerdem möchte ich mehr personenbezogen spielen, ohne dass Lyra dabei ein Spielzeug im Maul trägt - dabei möchte ich aber, dass unser personenbezogenen Spiel ebenso flüssig, motiviert und gut abläuft, wie wenn sie ein Spielzeug trägt.
... UND LOS GEHT’S!
Wiederholen Sie dieses Kapitel. Denken Sie darüber nach und überlegen erneut, was Sie in den nächsten sechs Wochen gern mit Ihrem Hund erreichen würden. Im nächsten Kapitel werde ich Sie dazu auffordern, ein Baseline-Video zu filmen, um Ihren Umgang mit Ihrem Hund einmal aus der Beobachterperspektive zu sehen. Sie werden herausfinden, dass es enorm hilfreich sein kann, sich im Spiel und Training zu filmen und das Video dann zu analysieren! Sie werden zahlreiche Details erkennen, die Sie in Echtzeit übersehen, und sich selbst und Ihr Team aus einer neuen Perspektive sehen.
Nach dem Baseline-Video gehen wir weiter in die Praxis und sehen uns an, worauf es im Spielen mit Spielzeug ankommt.